Vietnam – Grünzeug bis die Suppe dampft


Haiphong

Denke ich an Haiphong zurück, kommen mir genau 3 Gedanken: Ich bin noch nie so günstig Taxi gefahren. Also, so richtiges, echtes Taxi mit Klimaanlage und Kofferraum. Unsere erste Stadtrundfahrt trieb mir beim flüchtigen Blick auf den Zählerstand schon den Schweiß auf die Stirn. Wir befanden uns bereits in den Zehntausendern. Umgerechnet waren es für eine 30-minütige Irrfahrt (der Fahrer fand das Hostel nicht und musste einen Kollegen am Taxistand fragen) dann doch deftige 20 Cent. Ein zweiter Blitzgedanke bei dem Stichwort Haiphong lautet Pizza. Nach sieben Monaten Pizza-Abstinenz haben wir uns ein fantastisches, knuspriges Wagenrad gegönnt. Unser Hostel gewinnt mit Abstand den Award schlimmstes Bett Asiens. Ich fühle noch heute jede einzelne Sprungfeder eindrücklich in meinem Rücken.

Cát Bá

Für uns geht es nach dem kurzen Stopover in Haiphong weiter mit dem Motorboot rüber nach Cát Bá Island, ein kleines Inselchen, eine Tuckerstunde östlich gelegen in der berühmten Halong Bay. Ein klappriges Moped unter dem Hintern und heizen wir endlich wieder selbstbestimmt durch die schöne Berglandschaft der zum Nationalpark erklärten Insel. Ein Traum. Der Wind saust uns um die Ohren, während wir auf den Spuren des Vietnamkriegs wandeln. Einer der beeindruckendsten Orte ist das in einer Höhle versteckte ehemalige Krankenhaus in den Bergen, das die Vietnamesen viele Jahre unentdeckt als Hospital und Zufluchtsstätte genutzt haben. Über einen kleinen Feldweg erreichen wir einen völlig unscheinbaren Höhleneingang und staunen nicht schlecht als wir in einen systematisch ausgebauten Bunker mit verzweigten Gängen eintauchen, der mehrere 100 Meter in den Fels hineinreicht. Mit nackten Glühbirnen spärlich erhellte Räume säumen einen langen Tunnelgang über den wir eine riesige Höhle mit begehbaren Ebenen erreichen. Ein unglaubliches Versteck, dass sich hier im Inneren des Berges auftut. Mit dem Moped heizen wir weiter, stoppen in kleinen Buchten und bewundern die hübschen Strände, um schließlich ein ehemaliges Kriegsdenkmal zu besichtigen. Hoch oben auf den Hügeln der Insel finden sich noch Überreste von Luftschutzbunkern und Abwehranlagen und uns wird bewusst, wie zeitlich nah der Krieg noch liegt. Das Durchschnittsalter der vietnamesischen Bevölkerung liegt aktuell bei gerade mal 29 Jahren. Unvorstellbar. Die junge Generation ist trotz des wirtschaftlich spürbaren Aufschwungs unzufrieden. Das Parlament sei selbstgewählt, so erzählt uns der junge Besitzer unseres Hostels und freie Meinungsäußerung gehöre noch lange nicht zu den alltäglichen Privilegien.

Ohne eine Bootstour durch die atemberaubende Halong Bay hätten wir irgendwie etwas verpasst. Vor allem die nette Bekanntschaft von Jana und Tim. Mal ehrlich, der Touristenausflug ist auf jeden Fall lohnenswert. Mit dem Kajak rudern wir um die gigantischen Steinformationen herum und stellen einmal mehr erschrocken fest, wie viel Müll hier auf dem eigentlich Smaragdgrünen Wasser herumdümpelt. Eine Schande, aber scheinbar noch lange nicht Asiens Priorität Nummer 1.

Das Schlimmste an Cát Bá: An einem dieser heißen Tage in ein leckeres Vanilleeis beißen wollen und angewidert feststellen, dass das säuerlich schmeckende Eis Kotzfrucht (Durian) ist.

Hoi An

Nach der Bustortur in China gönnen wir uns einen gemütlichen Kurzstreckenflug nach Hoi An und haben das wahnsinnige Glück passend zum Laternenfestival in der alten, traditionellen Stadt anzukommen. Wir wohnen etwas abgeschieden auf einer kleinen Landzunge außerhalb der fußläufigen Altstadt und fahren jeden Tag mit klapprigen Drahteseln in das Örtchen hinein. Natürlich nicht ohne die ein oder andere Fußmassage in einem der vielen kleinen Salons mitzunehmen. Die Straßen sind bunt und gesäumt mit alten Holzhäusern an denen hübsche rote Laternen baumeln. Touristen und Einheimische flanieren durch die Gassen. Autos und Mopeds sind an den Vollmondnächten verboten. Straßenhändler preisen ihr Essen oder ihre Kunst an und wir genießen das Flair, das das Örtchen zu bieten hat. Wenn es dunkel wird, werden überall Laternen angezündet und das elektrische Licht wird ausgeschaltet – eine malerische Atmosphäre. Am Hafen und am Wasser entlang schieben sich nun die Menschen dicht an dicht und wollen Wunschlichter in Wasser lassen. Wir kaufen auch ein Licht und setzen es behutsam aufs Wasser.

Unser Hotelpapa hat uns eine geniale Empfehlung mit auf den Weg gegeben und so finden wir uns in einem in den Hinterhöfen versteckten Straßenrestaurant wieder und drehen mit Krabbenpfannkuchen und Fleisch gefüllte Reisteigrollen. Die emsige Bedienung reißt uns beherzt die Stäbchen aus der Hand und fordert uns auf IHR das Rollen gleichzutun. In kleine, feuchte Reispapiere, werden besagte Pfannküchlein gelegt und mit grünen Salat und Kräutern, von Minze bis Koriander vollgestopft. Oben auf liegt noch ein würziges Stückchen Fleisch vom Grill, so dass man Sorge hat, die Rolle überhaupt noch in den Mund zu bekommen. Fruchtig scharfe Sesampasten und Saucen runden den köstlichen Geschmack ab. Wir sind einmal mehr im Fressparadies und schieben ein selbstgebautes Röllchen nach dem anderen genüsslich in den Mund. Ein Fest!

Moped fahren gehört zu Vietnam wie die Sojasauce ins Pho. Und so schwingen wir uns für einen Tagestrip auf den Sattel und heizen in der Hitze zu den Tempeln von Myson. Wir stoppen an Reisfeldern und schubsen Wasserbüffel um, ne quatsch, und machen kleine Fotosessions mit diesen sanften Tieren. Ein fieser Bauer vertreibt uns dann doch von seinem Feld, als ihm bewusst wird, dass wir seinen Büffel nicht gegen Geld reiten wollen. Ein weiteres unvergessliches Bild, dass sich mir einbrennt: eine alte Dame, die mit ihren Gänsen zu ihren Füßen durch die Reisfelder zieht. Hier wirkt die Welt noch vollkommen in Ordnung und unberührt.

Ho Chi Minh

Wusstet ihr, dass Ho Chi Minh ein eigener Song von Viet Jet gewidmet wurde? Es klingt eins wenig wie Dschingis Khan von wilden Seeräubern gesunden und dudelt vor Abflug in Endlosschleife. Dennis und ich singen beim dritten Mal schon laut mit und werden etwas schief angelächelt. Nach Ho Chi Minh treibt es uns weniger aus Interesse, als zum Beschaffen der Visen für Laos und Kambodscha, was uns offensichtlich gelungen ist. Ansonsten schnuppern wir ein wenig Großstadtluft und freuen uns dieser quirligen, stickigen Metropole schnell den Rücken zu kehren. Doch – Barack Obama blockiert die Stadt.

Auf dem Weg zum Flughafen erklärt der Taxifahrer in gebrochenem Englisch, er müsse die Stadt umrunden. Wir sind auf einen scam gefasst und beraten, was zu tun sei, als die Straßen immer voller und Polizeikolonnen immer häufiger werden. Obama, Obama sagt der Fahrer und uns wird klar, nachdem das Bild von Obama in einem kleinen Pho-Restaurant in Hanoi um die Welt gegangen ist, dass wir nicht die wichtigsten Persönlichkeiten sind, die aktuell den Flughafen von Ho Chi Minh als Ziel erklärt haben. 2,5 Kilometer vom Flughafen entfernt und knappe 25 Minuten vor Abflugzeit, schmeißen wir dem Fahren ein paar Scheine nach vorne, nehmen die Füße in die Hand und rennen kurzerhand durch die vollen Straßen vorbei an stehenden Blechlawinen Richtung Terminal. 35 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit bringen uns zum absoluten Höhepunkt unserer sportlichen Karriere. Die Rucksäcke auf dem Rücken machen das ganze Unterfangen wirklich, im wahrsten Sinne der Wortes, schwierig. Wir schaffen es auf die Minute genau einzuchecken und brechen schweißgebadet in uns zusammen. Unter einer AC im Flughafen kühlen wir runter, danken Obama innerlich (nicht) und bestaunen die AirForce1, die einfach mal direkt vor unserer Nase auf dem Rollfeld steht – immerhin!

Phu Quoc

Vietnams berühmteste Trauminsel entpuppt sich als Müllhalde. Dieses eigentlich hübsche Fleckchen Erde strotzt nur so vor Müll und stimmt einen richtig traurig. In der Off-Season sind nicht einmal mehr die Resorts bemüht die Plastikhalden zu beseitigen. Selbstvergessen fällt das Chipstütenpapier beim Spaziergang am Strand aus der Hand und wird von einer Welle davongetragen. So finden wir allerhand Kuriositäten in den Buchten. Der graue Monsunhimmel lässt den Stimmungspegel dann erbarmungslos gegen Null senken. Wir haben glücklicherweise einen kleinen Bungalow im Grünen gemietet, der liebevoll mit Teakholzmöbeln eingerichtet ist. Frische Blüten auf den Kissen, Öllampen und Kaffee auf der Ablage lassen uns dann doch durchatmen und wir freuen uns trotz beginnender Regenzeit auf eine kleine Miniauszeit. In Regenpausen sitzen wir zum ersten Mal auf unserer Reise an einem Pool. Fast wie All-Inclusive Urlaub. Die heftigen Regengüsse und das laute Grummeln am Himmel beobachten wir von unserer kleinen überdachten Terrasse. Mit köstlicher Pho Suppe und Bananenpancakes überrascht uns die freundliche Hotelmama zum Frühstück und wir genießen begeistert.

Eine Erkundungstour um die Insel lassen wir uns nicht entgehen und es bewahrheitet sich, dass im Süden der Insel kein Regen fällt. Wir nutzen die trockenen Phasen und besuchen eine Pfefferplantage und eine Perlenzuchtfarm. Ziemlich coole Angelegenheit. Ohne die berühmte Fischsaucenfabrik besichtigt zu haben, war man offensichtlich nicht auf Phu Quoc und so fahren wir einfach dem Gestank nach und befinden uns in einem dreckigen Hinterhof, der direkt an den Hafenkai grenzt. So etwas wie eine Führung wäre überbewertet und so schlendern wir über das Gelände und stecken unsere neugierigen Nasen in alle Türen, die sich öffnen lassen. Das große Geheimnis der Fabrik lagert in riesigen, uralten Fässern in einer Lagerhalle. Es stinkt wie die Pest und wir beschränken unseren Besuch auf ein knappes Foto. Den Asiaten scheint der Geruch nichts auszumachen. Freudig dippen sie getrockneten Fisch in kleine befüllte Sojasaucenschüsseln und nicken heftig und schmatzen vor Gaumenfreude. Wir bleiben dem leckeren Street Food dann doch lieber treu und begeben uns zu einem kleinen plastikbestuhlten Bürgersteig-Café und genießen einen eisgekühlten Kaffeetee – ja ihr lest richtig und ja, so etwas kann schmecken. Dazu gibt es frischen Papaya-Möhrensalat und Glasnudeln in klebriges Reispapier gewickelt. Mundet vorzüglich. Über die stillgelegte Landebahn des alten Flughafens heizen wir im strömenden Regen, eingehüllt in bunte Bonbonponchos, Richtung Hotel zurück.

Dass wir auf der Insel stecken bleiben würden, haben wir uns so nicht ausgemalt, aber der heftige Wind und der nicht enden wollende Regen machen uns einen Strich durch die Rechnung. Wir hängen vier Tage auf der Insel fest, bevor das erste SUPERDONG den Hafen wieder verlassen darf. Endlich kann es weitergehen Richtung Kambodscha, das nur einen Katzensprung entfernt liegt. Wir laufen also von Vietnam nach Kambodscha. Klingt unendlich weit, sind aber lediglich schlappe 700 Meter neutrale Zone in der gleißenden Mittagshitze. Ein weiterer wichtiger Stempel in unseren mittlerweile gut gefüllten Pass quittiert uns die erfolgreiche Überquerung ins Nachbarland.