Cusco – Machu Picchu – Cusco

This post is part of a series called Peru
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Der Landeanflug muss vermutlich Dennis am meisten Nerven bzw. Schmerzen gekostet haben. Ich dachte in Quito gelandet zu sein, wäre die Reifeprüfung schlechthin. Falsch gedacht, also kneife ich Dennis dramatisch feste in den rechten Oberschenkel, um die Nervosität zu unterdrücken. Dennis filmt derzeit seelenruhig aus dem Fenster und bestaunt die rosa-rot und grün gefärbten Gesteinsungeheuer mit ihren gigantischen Schneekappen, die unheimlich nah unter dem Flugzeug vorbeirauschen. Der Flieger geht immer tiefer und man fragt sich ernsthaft, wo in dieser Steinwüste ein Anflugziel liegen könne, als dieses binnen Sekunden linker Hand unter uns vorbeirauscht. Wir sinken tiefer und gehen in eine scharfe, langgezogene Linkskurve. Die Spitze des Flügels scheint den Berg, den wir umkurven fast zu streifen. Irgendwie müssen wir schließlich zurück. Ein gruseliges Szenario, bedenkt man, dass wir auf 3000m landen und die Luft ziemlich dünn ist, was sich in den heftigen Luftlöchern bemerkbar macht. Die Geschwindigkeit beim Aufsetzen ist derartig hoch, dass mir einleuchtet, warum es in Flugzeugen überhaupt Anschnaller gibt. Mein Bauch klemmt im Gurt, ich halte kurz die Luft an und wir stehen nach einer kleinen Ewigkeit. War doch alles ganz easy. Die Leute klatschen.

View at the Andes
View of the Andes

Mit unseren Rucksäcken bepackt, (Wir sind jedesmal froh, diese in den Gepäckrutschen in Empfang nehmen zu können – ist doch unser ganzes Hab und Gut auf den paar Kubikzentimetern verpackt.)  stiefeln wir aus dem kleinen Flughafengebäude in die Hitze Cuscos. Taxifahrer stürmen auf uns los und unterbieten sich gegenseitig in teuflisch hohen Prämien für eine 7km Fahrt ins Stadtinnere. Wir haben uns schlauerweise mit den Locals unterhalten und wissen, dass der Público für 70 peruanische Cent, sprich für den 50. Teil des Taxipreises doch tatsächlich dieselbe Strecke fährt. Wir freuen uns diebisch. Klar man muss irgendwie herausfinden, welches nun der richtige Bus sein könnte, wo man aussteigen sollte, geschweige denn, wo man überhaupt einsteigen kann. Gut, dass wir spanisch können und mit einem offline GPS Tracker ausgestattet sind. Es lebe die Moderne und Dennis Schnüffelnase für solche technischen Raffinessen. Sonst würde die Reise sicherlich wesentlich mehr Geld kosten. Die Einheimischen hier sind sehr hilfsbereit und wollen einen förmlich in den Bus komplimentieren.

Der kurze Weg von ca. 800 Metern über steile Kopfsteinpflasterstraßen ist anstrengend. Alle zehn Schritte bleiben wir stehen und verschnaufen. Schnell sind ein paar Coca-Bonbons zur Hand, die einen auf der Höhe wachhalten. Es ist ein wenig wie grünen Tee lutschen.

Der Markt ist ein Ort zum Staunen. Fein sortiert läuft der Ansässige oder Zugereiste durch die Metzgergasse, die Blumenstraße oder streift an einem dem anderen gleichenden Fruchtstand vorbei. Wir bestellen mehr oder weniger absichtlich einen Liter Fruchtsaft für umgerechnet einen Euro. Dass die Gläser sofort nachgefüllt werden, konnte ja niemand ahnen. Der pure orange glitzernde dickflüssige Saft schmeckt fabelhaft. Weiter tasten wir uns vor und setzen uns an einen der gekachelten Markstände vor denen kleine, wackelige Holzbänke stehen. Viel zu niedrig hockend, versuchen wir einen Blick auf die Markfrauen hinter den riesigen silbrigen Töpfen zu erhaschen, die fleißig Hähnchenfüße rausreißen und Gemüse von rechts nach links bewegen. Wir bestellen eine Gallina – in etwa eine Hähnchenbrühe. Schmeckt. Weiter geht’s also mit glücklichem Magen. Es folgt ein kurioser Nachtisch am Nachmittag. Klar in der Zwischenzeit machen wir eine zwei Kilometer mit Fußmarsch durch die zerklüftete, bergige Stadt gut. Der Nachtisch wird im Plastikbecher präsentiert. Halb und halb, weiß und dunkelrot. Mehr wissen wir nicht. Die Straßenverkäuferin fragt etwas verdutzt, ob wir wirklich etwas bei ihr kaufen wollten. Na sicher – und es hat sich gelohnt. Wir werden mit köstlichem noch warmen Milchreis belohnt (so viel zum weißen Part des Bechers). Die dunkelrote etwas gelatineartige Flüssigkeit entpuppt sich als Chicha Morada (Glühweingetränk) in diesem Falle eine Grütze. Läuft. Mittlerweile fragen wir uns, was noch so in uns hineinpasst. Daher wenden wir uns dem Essen ab und den Impressionen zu.

Cusco bedeutet in Quechua ,Nabel der Welt’ und ist durch die Inkas gegründet worden. Überall in der Stadt findet man Spuren dieser Kultur. Perfekt aufeinander platzierte und glatt geschliffene Steinmauern prägen das Stadtbild. Wir wandern durch enge Kopfsteinpflastergassen. Auch die spanischen Siedler haben ihre Spuren unübersehbar hinterlassen. Der ehemalige Sonnentempel der Inkas wurde bis auf die Grundmauern zerstört. Die Kolonialherren nutzten diese Überreste und setzten einen neuen Tempel obenauf, um ihre Vorherrschaft deutlich zu demonstrieren. Über der Stadt thront eine überdimensionale Jesusfigur. Durch steinige gefährlich steile Ziegenpfade und Gebüsche (den offiziellen Weg haben wir nicht gefunden) kämpfen wir uns durch die Berge, die Cusco umgeben. Der Weg ist das Ziel.

Juice lady
Juice lady at the San Pedro market. She wouldn’t tell us her age. Hence she is 45.

Apropos Weg. Irgendwie müssen wir ja noch den Machu Picchu erreichen, was sich als doch recht komplizierteres Unterfangen herausstellt. Man muss wissen, dass die heilige Inkastätte lediglich zu Fuß oder per Bahn erreichbar ist. Geschickterweise hat das Tourismusdepartment von Cusco die Preise an das Interesse der Reisenden angepasst, so dass man auf einen hübschen Gesamtpreis von 400$ für Hin- und Rückfahrt kommt, sofern man kein Peruaner ist. Beim besten Willen, das hätten wir kaum vortäuschen können. Also muss für Spontanreisende ein Plan C her. Plan B, zu Fuß über den berühmten Inka Trail zu wandern, kommt nicht in Frage, da man emsigerweise schon vier Monate im Voraus hätte buchen müssen. Zäumen wir das Pferdchen also von hinten auf, oder besser gesagt von Norden. Wir kaufen ein weiteres Klapperbusticket und wagen die kurvige Straße über zwei 5000er-Peaks über Santa Maria bis nach Santa Teresa. Diese Strecke fährt man lieber nur bei Tag, so hören wir den Busfahrer reden, während er Einheimischen dabei behilflich ist, den Bauch des Buses voll mit Grünzeug zu stopfen. Unsere Rucksäcke finden daher keinen Platz im Stauraum und liegen nun schwer auf unseren Schößen. Einen verwerflich geringen Vorteil hat die Sache dennoch. Wir sitzen kerzengerade wie zwei Schulmädchen auf unseren Gummisitzen eingeklemmt, 22Kilogramm Weltreisegepäck auf unseren Knien balancierend hoffen wir, dass der 6-stündige Weg bald ein Ende finden möge (Dieser Satz vielleicht auch…). Die Aussicht auf die Anden mit ihren weichen mit Gräsern bewachsenen Hügeln, die sich mit schroffen Steilhängen abwechseln, ist unglaublich beeindruckend und so schlängeln wir uns langsam rauf Richtung Norden.

Für mich persönlich ist die Landschaft der Anden atemberaubend schön und einmalig. Der Wind spielt in den blassen hellgrünen Gräsern und legt hier und da rotes Gestein frei. Leben kann in dieser rauhen Gegend nur das Lama oder Alpaka – eine wahre Zierde, wenn sich das schöne, weiche Braun ihrer Fellfarbe mit dem grünen Hintergrund vereint. Am stahlblauen Himmel gleiten weiße Wolkentupfer. Manchmal sieht man vereinzelt Frauen in ihren farbenfrohen Kleidern beschwerlich ein Ackerfeld bearbeiten. Ein Bild von solch vollkommener Friedlichkeit findet sich selten. So speichere ich auch dieses Bild ganz feste in meinem inneren Album.

Wer schon einmal eine Dokumentation über die Death Road gesehen hat, kann sich ungefähr ausmalen, wenn ich den schmalen, steilen Track am Rande des Abgrundes nach Santa Teresa mit dieser Route vergleiche. Der Taxifahrer hat im Laufe seiner Arbeitsjahre jeglichen Respekt vor der Straße verloren, umso mehr starren wir mit aufgerissenen Augen auf die Geröllstraße und krallen uns in jeder Kurve in das Sitzpolster. Anschnallen ist in Südamerika noch längst nicht angekommen. So ducken wir uns automatisch, wenn wir durch Wasserfälle hindurchbrausen und hoffen nicht in den knietiefen Flussüberläufen stecken zu bleiben, die der Regen hinterlassen hat. So holpern wir über eine Stunde ins Nirgendwo und sind regelrecht erleichtert, als wir an unserem Baumhaushostel abgesetzt werden.

Dieses Hostel entpuppt sich unerwarteterweise als Glücksgriff. Marco, der mehr als freundliche Besitzer empfängt uns gemeinsam mit seiner Frau mit einem leckeren Ananassaft und erklärt uns detailliert seine Idee der Eco-Lodge. In der Tat sitzen wir in einem Baumhauskonstruckt. Kleine Terrassen durch Steinstufen verbunden, schmiegen sich an den steilen Hand. Bäume wachsen durch die einzelnen Ebenen und gehören ins Interieur. Der laut rauschende Fluss weiter unten im Tal begleitet jeden Schritt. Orchideen schmücken kleine Sitzecken oder Terrassen und laden zum Verweilen ein. Beim Frühstück beobachten wir staunend, wie kleine Kolibris die Bananenfutterstellen anfliegen und naschen. Unser Zimmer liegt im “obersten Stock” des Baumhauses und ist mehr oder weniger eine freiliegende Plattform mit einer Tür und zwei Wänden. In der Mitte des Raumes befindet sich ein Himmelbett. Was braucht der Mensch bitte mehr? Oh, doch, eine Naturdusche mit Blick auf den Fluss kann man sich gefallen lassen. Fast vergisst man den eigentlichen Grund, warum man genau hier aufgeschlagen ist.

Train through the jungle
Train through the jungle from Hidroelectrica to Aguas Calientes / Machu Picchu village

Doch der Wecker um 5:30 am nächsten Morgen reißt einen zurück in die Realität. Gestärkt, mit einem leckeren Frühstück im Bauch, machen wir uns auf, über Hydroeléctrica (ein super modernes Wasserkraftwerk im Nirgendwo) weiter Richtung Machu Picchu. Unser Eintrittsticket, das wir im Kulturministerium in Cusco erworben haben, befühle ich immer wieder heimlich in der Hosentasche. Alles noch da. Um 8:30 können wir endlich in den Perú-Zug einsteigen (Das Ticket kostet wieder ein Vermögen *grummel*). Langsam juckeln wir durch den Dschungel, umkurven Berge, deren Spitzen, trotz riesiger Panoramafenster im Zug, nicht auszumachen sind. Wir erreichen schließlich Machu Picchu Pueblo und uns trennt nur noch eine Busfahrt vom finalen Ziel. Im Zickzack schlängeln wir uns weitere 1200 Höhenmeter hinauf, um endlich (!) das Tor zum Machu Picchu vor uns zu haben.

Machu Picchu
Machu Picchu as seen by at least 1500 people on this day as there are 2000 people max per day.

Voller Erwartungen treten wir fast ehrfürchtig in die heilige Inkastätte ein. Zu unseren Füßen liegt der wundersame Terrassengarten des Machu Picchu. Teilweise zerbröckelte Steinmauern ziehen Furchen durch die Landschaft und teilen das gesamte Stück Land in gleichförmige mit dichtem hellgrünen Gras bewachsene Stufen. Diese dienten wohl ursprünglich als Anbaustätte, kaum vorstellbar dort zu arbeiten, geht es doch rechts oder links beängstigend steil in die Tiefe. Überreste von einfachen Steinhäusern säumen den Rand der Terrassen und geben den Blick auf den noch teilweise erhaltenen Sonnentempel frei. Man vermutet, dass die Inkas diesen Zufluchtsort hoch oben in den Bergen als “Kurort” für besser gestellte Mitglieder der Gesellschaft erbaut haben. Das Farbspiel vom mystischen Grün und Grau unter dem dunkelblauen, wolkenbehangenen Himmel ist genial. Für diesen Augenblick hat sich die anstrengende Anreise gelohnt. Aber Fotos sagen hier vielleicht mehr als 1000 Worte.

Gegen Mittag ziehen Wolken auf und es beginnt in Strömen zu regnen. Trotzdem halten wir an unserem Vorhaben fest und machen die 1200 Höhenmeter hinab ins Tal zu Fuß. Prognostizierte 20 Minuten werden zu mehr als einer Stunde. Nach einer kleinen Stärkung im Tal, dem Verarzten erster kleinerer Wunden, machen wir uns auf den Weg nach Hause. Es ist 15Uhr und wir müssen uns sputen, da unser Interesse, im Dunklen im Dschungel herumzuirren, eher gering ausfällt. Der Weg führt uns über und entlang der Bahngleise zurück Richtung Hydroeléctrica. In Deutschland unvorstellbar über aktive Gleise, rostige Zugbrücken und durch dunkle Tunnel zu wandern… Schätzungsweise liegt ein 1-2-stündiger Marsch vor uns, was sich als absolute Fehleinschätzung herausstellt. Insgesamt laufen wir anstrengende 3 Stunden durch die Hitze. Dummerweise lösen sich meine Mückenstiche an den Füßen in den Wanderschuhen in kleine Lymphpfützen auf, was das ganze Unterfangen nicht angenehmer gestaltet. Trotzdem kommen wir, nicht ohne Stolz am Ziel an und fallen ohne Abendessen müde ins Bett.

48 Stunden später hat Cusco uns wieder. Irgendwie ein heimisches Gefühl. Die Kühle des Abends und die Erschöpfung der letzten Tage steckt uns in den Knochen und wir verkrümeln und mehr zufällig in eine kleine, unscheinbare Bar. Eine ungewöhnliche Hitze empfängt uns und selig stellen wir fest, dass in der hinteren Ecke des winzigen Raumes ein alter Steinofen kräftig eingeheizt wurde. Emsige Köche flitzen vom Tresen zum Ofen und bereiten Pizza und Falafel zu. Das abrupte Erdbeben der Stufe 4,5 erschüttert ganz Cucso. Die Türen wackeln gefährlich ihren Angeln und gefühlt lässt einen der Gleichgewichtsinn im Stich. Wie alle Einheimischen gehen wir auf die Straße und warten. Der Verkehr steht plötzlich still – die Stadt erstarrt. Niemand wagt es noch, sich den Weg frei zu hupen oder gar zu schimpfen. Augenscheinlich kennen die Menschen diese Situation. So vergehen einige arg unangenehme Minuten. Ein zweites kürzeres Beben und die Polizei winkt den Verkehr per Pfeife weiter. Das Hupen geht los, die Menschen erwachen aus der Starre und alles geht seinen gewohnten Lauf. Wir tauschen Blicke aus, Lachen uns den Schock kurz von der Seele und runden den Abend noch mit einem peruanischen Pisco Sour ab. Prost!