Boliviens Salzwüste – Am Ziel der Träume

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Salar de Uyuni – Salz, Sand und unendliche Weite Dieses Baby ist geschaukelt, das Ziel der Ziele gemacht. Ein Wunder-voller viertägiger Trip liegt hinter uns. Ein Ereignis jagte das Nächste, eine wundersame Naturschönheit verblasst im Schatten der Nachfolgenden. Eine Landschaft der Superlative – das ist Boliviens Salzwüste.

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Doch starten wir bei A wie Anfang bevor die Zauberei los geht. Am Anfang war eine kleine absurde Idee: Lass mal irgendwann nach Uyuni. Zunächst ein Traum und nun immer näherrückende Wahrhaftigkeit. Wenn Uyuni eine Flagge hätte, wäre sie sicherlich weiß wie Salz und stechend blau wie der Himmel. Einen grünen Stern trüge sie stolz, um die erstaunlichen Pflanzen zu repräsentieren, die so zahlreich wachsen, dass man sich nur wundern kann. Zwei kleine lachsfarbene Flamingos spazierten in einer Ecke. Ein fließendes Band aus türkis und roter Farbe würde sie umgeben, gleich dem salzigen Wasser in den einzigartigen Lagunen. Ein Tupfen Quecksilber und Schwefel und auch die wütend brodelnden Löcher der Vulkankrater wären aufgemalt. Gesponnen wäre der Stoff aus Stein, Salz, Dornen, Wasser, Mineralien, Federn, Jahrtausenden und Sternen und manch anderen kleinen und größeren Naturwundern. So einfach ist das, wäre man ein Flaggenerfinder, is man aber nich. Back to Reality…

Mit drei Four-by-Four-Wheelers starten wir in der noch angenehmen morgendlichen Kühle der Wüstenstadt Uyunis unsere Tour. An Bord, besser gesagt an Deck des Tourwagens befinden sich riesige Kanister mit Benzin und Wasser. Ein Ersatzreifen und unsere Rücksäcke werden unter blauen Plastikplanen festgeschnürt. Unser Daypack mit reichlich Wasservorrat, warmen Jacken und Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 100 wandert mit in den Van. Ein bunter 15-köpfiger Nationenmisch aus Schweden, Neuseeland, Australien, der Schweiz, Japan, England, Kanada und mit uns Deutschland, macht sich auf den aufregenden Weg. Die erste Station erreichen wir kurz und schmerzlos hinter den Toren der Stadt. Ein verödeter Zugfriedhof lädt zum Staunen, Klettern und anderen Fotoidiotien ein. Ein eher langweiliger Stop auf der Route aber eine super Gelegenheit sich kennenzulernen. 15 Menschen, von denen 13 ihren Job aufgaben, um zu reisen – wir scheinen hier gut aufgehoben zu sein. ‘The Whitest Boy Alive‘ on shuffle und der Roadtrip geht los. Unsere Nasen kleben an den Fensterscheiben, um keinen Quadratzentimeter der Landschaft zu verpassen. Der Off-Road-Track führt uns immer tiefer in die Einöde. Der sandige Boden und die letzten Grasbüschel verschwinden aus dem Blickfeld, bis die Reifen über pures weißes Salz rattern. Wir erreichen Salar de Uyuni, eine kleine Ansammlung von Häusern, ein kleiner Touristenmarkt, ein verlassenes Museum und eine Salzfabrik. Jeder zahlt brav einen Euro und wir dürfen die Produktionshalle bestaunen. Das gewonnene Salz stapelt sich in sauber gepackten Päckchen dicht an dicht bis unter die Decke des Raumes. Eine einzige Maschine steht in der Mitte und raspelt das getrocknete Salz kiloweise in klitzekleine Puderkristalle. Pro Päckchen erwirtschaftet Bolivien lediglich einen Gewinn von ein paar Cent. Das Gebäude scheint bald zu zerfallen. Es ist aus Salzbriketts gebaut und hält so dem Wetter maximal zehn Jahre stand. Dann baut man halt neu.

Ohne Sonnenbrille geht hier gar nichts. Das grelle weiß des Salzes lässt uns Sterne sehen. Mac Gyver und Chuck Norris gemeinsam könnten die Coolness unseres Trupps nicht übertreffen, als wir zurück zum Van schreiten. Wir verlassen den letzten zaghaften Rest an Zivilisation, lassen die aufgehäuften Salzburgen hinter uns und tauchen in die weiße Unendlichkeit der Wüste ein. Das strahlende Blau des Himmels (und Dennis) schreien förmlich nach einer Fotosession und gemeinsam mit unserem Tourguide halten wir im Nirgendwo und legen ein Shooting ein. Ein tierischer Spaß mit der coolen Truppe. Die Ideen wollen einfach nicht enden. Verfolgt von unbändigen Dinosauriern springen wir aus Weinflaschen und flüchten in eine Pringlesdose. In der Weite der Wüste gibt es keine Naturgesetze mehr. Wir danken an dieser Stelle noch recht herzlich für die vieleckigen perfekten Salzkreationen mit ihren erhabenen crunchigen Rändern am Boden, die die Natur hier platziert hat. Es gibt sicherlich hässlichere Fleckchen auf unserem Planeten. Leserauftrag: jetzt Fotos angucken! Tataaaaa!

Oh, der Lunch folgt nun, eine unserer besten Disziplinen. Es gibt halben Hahn mit Kartoffelsalat, selbstverständlich bolivianischen Stils. Würze plus Masse plus Plastikgabel plus Liebe würde das Gesamtkonzept als Gleichung angemessen in Worte pressen. Weiter geht die wilde Fahrt mit dem Ziel: Kaktuswald. Der Blick nach rechts und links endet im Nirgendwo, so unvorstellbar groß ist die Salzwüste. Weit in der Ferne vor uns berühren kahle Vulkanspitzen den Himmel. Die glimmende Hitze lässt die Berge förmlich in der Luft schweben. Unfassbare 80km liegen die Berge laut GPS-Tracker von uns entfernt, dennoch scheinen sie zum Greifen nah. Wir halten in der Bucht der Kaktusinsel, die sich praktisch aus dem Nichts auftut. Eine eigenartige Laune der Natur, fuhren wir doch den ganzen Tag auf der flachen Ebene der Salzwüste, wie auf dem Meeresgrund und werden nun an einen Strand gespült. Tatsächlich lag der Meeresspiegel in der Eiszeit auf dieser Höhe, bzw. noch höher, so dass sich auf der Insel nun versteinerte Korallen ablagerten. Eine kuriose Mischung, wenn auf diesem Kalkboden Präriekakteen wachsen, die locker eine Höhe von sieben bis acht Metern messen. Der Wind zerrt heftig an den Pflanzen und ein gruseliges Säuseln und Zischen umgibt diesen kahlen und doch lebendigen widersprüchlichen Ort. Zitronengelbe Schmetterlinge und flink umherfliegende Spatzen geben der Atmosphäre dennoch einen märchenhaften Charakter. Wir klettern einen steilen, einstündigen Rundweg entlang und saugen die fabelhafte Umgebung geradezu in uns auf. Wir sind vollkommen alleine auf der schroffen Nordseite unterwegs, als wir höher steigen und eine Art Plattform erreichen. Der Wind erfasst unsere Kleidung und zerrt an den Rucksäcken, die Sonne brennt auf der Haut und man weiß kaum, wo man zuerst hinschauen soll. In der Ferne schieben sich blau-grau Vulkanschichten scherenschnittähnlich am Horizont entlang. Man greift in die Richtung und glaubt, alles berühren zu können, als wäre die Welt ein kleines Modell, das man sich zurechtstellen könne. Oder soll das Auge doch im Detail hängen bleiben oder doch die Hand den Stein berühren, den Dorn oder doch über die Flechten am Vulkanboden streifen.

Abends fallen wir müde von den vielen schönen Eindrücken in ein ziemlich gemütliches, frisch bezogenes Bett in einem einfachen Salzhostel. Zum Abendbrot (wir sitzen auf Salzhockern und essen an Salztischen umgeben von vier Salzwänden) gibt es Pommes-Stew. Das wäre wohl die korrekte Bezeichnung. Pommes in Sauce gematsch-lagert ein paar Gemüsesorten untergepfercht und den ein oder anderen zähen Fleischklumpen hinzugefügt. Lecker.

Tag zwei der aufregenden Reise bringt uns zu Lagunen aller vorstellbaren (türkis/blau/grün) und weniger vorstellbaren (rostrot) Farben. In der Hochsaison sind ca. 30.000 Flamingos Dauerbesucher dieser hochprozentig salzigen Megapfützen. Sie schieben ihre klobigen Schnäbel durch das salzige Nass und scheinen damit überleben zu können. In der Nacht hängen sie alle dicht aneinandergepresst in der sicheren Mitte der Lagunen ab, um nicht von Wüstenfüchsen gerissen zu werden oder vor Kälte zu erfrieren. Unwirkliche Steinformationen, die an Dalís Bilder erinnern, säumen unsere Route. Immer wieder stoppen wir und staunen über hellgrüne, feuchte Moospflanzen, erstarrte Lavaflüsse, Berge, deren farbenfrohe Steinplatten wie Schichtsalat aufeinander gepresst scheinen.

Ein Wunder jagt das Nächste. Die Sonne steht schon tief als wir unsere Schatten belustigt verfolgen. Wir trällern den Star Wars Soundtrack und staksen verrückt über den Salzboden und beobachten erfreut das Resultat am Boden. Kleine Aussetzer braucht man ab und zu. Darin sind wir Könige.

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Wir übernachten in einem ganz einfachen Hostel, ohne Dusche, fließend Wasser und Strom gibt es bis um 21Uhr. Das Klo ist ein Loch im Boden. Es ist stockdunkel und wir sitzen in einer Hütte in der Wüste. Millionen von Sternen beobachten uns. So viele Wünsche, wie es Sternschnuppen gibt, kann ein Mensch in seinem kurzen Leben kaum wünschen. Daher senden wir alle übriggebliebenen Schnuppen nach Hause. * Ist ja Weihnachten *

Der anstrengende Tag hat uns müde gemacht und wir rasten fast aus, als unser Guide uns klar macht, dass 50 Meter vom Haus entfernt heiße Quellen sprudeln. Etwas ungläubig schauen ihn 15 Augenpaare an. Wir finden praktisch alle gleichzeitig unsere Sprache wieder und hektisch reißt man erste Klamotten vom Leib. Mit Maulwurfleuchten und Handtuch bewaffnet stapfen wir unsicher durch die Dunkelheit und gleiten selig in bestimmt 40 Grad heiße Quellen. Der Sternenhimmel funkelt über uns und glücklich teilen wir mit allen eine Flasche Wein. Dennis erklärt allen unwissenden Geschöpfen den gesamten Sternenhimmel – Nerd! Wir sitzen bestimmt bis ein ihr nachts und reden und schauen und reden und schauen. Ein zauberhafter Moment – und ein weiteres inneres Foto ist geknipst.

Was für Glücksschweine wir wirklich waren, sehen wir am nächsten Morgen um 6Uhr bei Licht. Ein kristallklarer Pool mit dampfendem Wasser liegt mitten in der Wüste umgeben von blubbernden Lavaflüssen. Nur, dass das Jacuzzi nun einer Gringosuppe gleicht, die mit aufgeregt schnatternden Touristen gefüttert ist, die sich dicht an dicht die Arme platt drücken. Haha! Wir schlendern wohlwollend cool, aber wohlwissend um unser Glück, an dem Pool vorbei und besteigen die Vans zur Weiterreise.

Unsere Reise neigt sich leider schon dem Ende. Wir wären gerne länger geblieben. Der Höhepunkt des letzten Tages der Tour bringt uns in einen Vulkankrater. Um die Anreise so komfortabel wie möglich zu gestalten, fahren wir praktischerweise gleich mit den Jeeps in den Krater. Wir steigen aus, oder versuchen es besser gesagt, da der Wind die Türen des Autos zudrückt. Die Kapuzen fest um die Köpfe geschnürt, empfängt uns die schwefelhaltige Luft des Kraters. Dichter Dampf beschränkt die Sicht und vorsichtig folgen wir unserem Guide durch die silbrig glänzende Mondlandschaft. Rechts und links sprudelt es in den Pfützen in leuchtenden Farben. Das Fotografenherz hüpft und die Hände gefrieren langsam zu Eis. Wir halten es kaum länger als zehn Minuten in der Kälte aus. Die Wärme des Wagens ist göttlich. Weiter geht es durch sandige, hügelige Landschaften. Die beeindruckenden Vulkane zu beiden Seiten begleiten unsere Route. Richtung Süden wird es immer grüner und die Landschaft erwacht sprichwörtlich zu Leben. Wieder einmal atmet man instinktiv tief durch. Die menschenfeindlichen Orte haben auch etwas Erschreckendes, etwas, das einen daran erinnert, dass wir Luft zum Atmen und Wasser zum Trinken brauchen. Wie selbstverständlich, wenn man zu Hause in seinen vier Wänden sitzt. Ich komme immer wieder zur Nahrung zurück, ich gebe es zu…den Lunch erwarten wir mit knurrenden Magen. Wir stehen mitten in der grüngelb gefärbten Steppe und steigen aus. Auf einer unendlichen grünen Weidefläche grasen friedvoll Lamas. Wie kleine Farbtupfer hebt sich ihr wunderschönes Fell von dem satten Grün ab. Kleine Schäfchen tummeln sich zu ihren Hufen und genießen das frische Wasser, das das gesamte Feld durchzieht. Vergnügt hüpft auch der kopflose Tourist von einem grünen Inselchen zum Nächsten und versucht sich den hübschen Tierchen erfolglos anzunähern. Einige Versuche scheitern kläglich im Wasser. So ist der Lunch eine willkommene Pause zum Schuhetrocknen. Die Heckklappen der Vans sind einladend ausgeklappt und ein üppiges Picknick türmt sich zu unserer Freude in die Höhe. Handtellergroße Schnitzel stapeln sich, Aji fließt, und frische Gemüseschnipsel laden sich von selbst auf unsere Teller. Ein Mahl für die Götter. Wir sind sehr glücklich.

Aus der Ferne zwinkert uns die Grenze nach Chile schelmisch zu und wir versuchen noch wegzuschauen und sie zu ignorieren. Klappt nicht. Sie rückt unerbittlich näher. Ein Bus wartet bereits auf uns und wir werden an einem verlassenen Ort abgesetzt. Rücksäcke auf. Zwei Küsschen für die Schweizer, ein handshake mit den Australiern, eine Umarmung mit der netten Engländerin usw. Wir hatten ganz großes Glück so tolle Menschen kennengelernt zu haben.

Ich könnte noch unendlich weitersprudeln, geflasht von den vielen besonderen Eindrücken und Menschen, aber schaut doch einfach noch ein paar wundervolle Fotos von Dennis an.

Wir wünschen euch und euren Lieben frohe Weihnachten, dass ein paar größere oder kleinere Wünsche in Erfüllung gehen mögen. Esst bitte leckere, gesunde Dinge für uns mit, die vermissen wir nämlich ganz arg und rutscht heil in 2016!!!

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